Wird Rosenheim vom Fernverkehr abgehängt?
Vieregg-Studie zeigt, dass die DB den Deutschlandtakt bei den Planungen des Brenner-Nordzulaufs nicht berücksichtigt
PRESSEINFORMATION 20-03-22 vom 10. März 2020
Bürgerinitiative Brennerdialog Rosenheim Land e. V.
PR & Kommunikation Jürgen Benitz-Wildenburg E-Mail: presse@brennerdialog.de www.brennerdialog.de
Die Vieregg-Studie vom 10. März 2020 ist der Planungsabschluss für einen bestandsorientierten Ausbau der Bahnstrecke Grafing-Rosenheim-Kufstein. Mit einer Kapazität von 396 Zügen und einer möglichen Zuggeschwindigkeit von bis zu 200 km/h erfüllt diese Trasse die Anforderungen an einen Brennernordzulauf. Der Gleisverlauf beachtet alle Raumwiderstände, geologische und topografische Bedingungen sowie bahntechnische Anforderungen. Im Gegensatz zu den DB-Planungen werden auch aktuelle Entwicklungen wie der Deutschlandtakt und der neue Ost-Korridor für den Güterverkehr beachtet. Die Planungen von DB und ÖBB berücksichtigen diese beiden Anforderungen jedoch nicht. Durch die von der DB geplante Umfahrung von Rosenheim besteht das Risiko, dass keine Fernzüge mehr in der Stadt halten und Rosenheim „abgehängt“ würde. Das zeigt das Beispiel von Coburg. Thomas Riedrich vom Brennerdialog stellt fest: „Mit der Vieregg-Planung ist der Nachweis erbracht, dass eine modernisierte Bestandsstrecke alle Anforderungen für einen leistungsfähigen Brennernordzulauf erfüllt und den Bahnhof Rosenheim fit für den Deutschlandtakt macht.“
Es ist schon ein starkes Stück, dass der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die Planung für ein 3. + 4. Gleis unbeirrt forciert, obwohl bis 2050 kein Bedarf erkennbar ist, und der Grundsatz des Bundesverkehrswegeplans, „bestehende Strecken zu ertüchtigen anstatt neue Strecken zu bauen“, nicht beachtet wird. Mehr noch, eine seriöse Analyse und Bewertung der Bestandsstrecke für die Eignung als Brennernordzulauf wird sträflich vernachlässigt.
Daher haben einige Gemeinden und die Bürgerinitiativen den renommierten Bahnplaner Dr. Martin Vieregg mit der unabhängigen Analyse vorhandener Bedarfsstudien sowie der Planung für den bestandsorientierten Aus- und Umbau der Bahnstrecke Grafing-Rosenheim-Kufstein beauftragt. Durch eine Modernisierung der Bestandsstrecke mit dem ETCS (European Train Control System) sowie der Beseitigung der Engpässe im Bahnhof Rosenheim wäre eine Kapazität von 396 Zügen möglich – also nur 4 Züge weniger als die Kapazitätsgrenze des Brenner-Basistunnels (BBT). Durch moderate Veränderungen der Bestandsstrecke kann auch die Fahrzeit so verbessert werden, dass Personenzüge von München nach Kufstein nur ca. 2 Minuten länger als über eine neue Hochgeschwindigkeitstrasse fahren.
Im Gegensatz zum Planungsauftrag der DB werden im Trassenvorschlag von Dr. Vieregg wichtige neue Einflussfaktoren berücksichtigt. Hierzu zählen die Tauglichkeit der Strecke und des Bahnhofs Rosenheim für den Deutschlandtakt sowie die kreuzungsfreie Einbindung des in Planung befindlichen Ost-Korridors für den Güterverkehr (Seehäfen-Uelzen-Halle-Hof-Regensburg-Mühldorf-Rosenheim-Brenner). Hierzu zitiert die Süddeutsche Zeitung vom 5. März 2020 einen Bahnsprecher „[…] Die Bahn plane langfristig den Güterverkehr an München vorbei zu lotsen. Durch den Ausbau und die Elektrifizierung zwischen Regensburg, Landshut, Mühldorf und Rosenheim soll der Knoten München vom Schienengüterverkehr entlastet werden.“ Komplett gegensätzliche Informationen werden den Bürgern in Rosenheim von der DB „aufgetischt“.
Ganz im Gegensatz dazu ist der Planungsauftrag des Bundesverkehrsministers an die DB AG für den Brenner-Nordzulauf räumlich zu eng gefasst, unvollständig und veraltet. Weder der Deutschlandtakt noch der forcierte Ost-Korridor für den Güterverkehr werden von den Planern der DB und ÖBB beachtet. Damit ist eine komplette Neuplanung der Bahntrassen im Raum Rosenheim erforderlich.
Welche Konsequenzen eine Umfahrung der Stadt Rosenheim bringt, zeigt das Negativbeispiel von Coburg. Die Stadt mit 96.000 Einwohnern liegt nahe, aber dennoch etwas abseits der ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt. Werktags hält je ein Zug morgens, mittags und abends – alle anderen Züge fahren ohne Halt an Coburg vorbei, um den Zwischenhalt zu vermeiden.
Der nächste schwerwiegende Fehler der DB ist die Missachtung des Deutschlandtakts bei der Planung des Brenner-Nordzulaufs. Der Deutschlandtakt ist eines der wichtigsten Planungsprinzipien im neuen Verkehrskonzept, denn er verbessert auch die Zugverbindungen jenseits der Metropolen. Dies funktioniert, indem möglichst alle Züge kurz vor der vollen oder halben Stunde in einem Bahnhof ankommen, die Passagiere umsteigen können und die Züge danach weiterfahren. Grundlage für dieses neue Bahnkonzept ist, dass Fernzüge zwischen den sogenannten Taktknoten max. 28 bzw. 58 Minuten brauchen, und der Bahnhof genügend Gleise hat.
Zurzeit braucht der EC von München nach Rosenheim 40 Minuten und von Rosenheim nach Innsbruck 64 Minuten. Es geht deshalb nicht um eine maximale Geschwindigkeit, sondern die passende Fahrzeit. Bei der Trassenplanung von Dr. Vieregg werden die fehlenden Minuten durch die Begradigung einiger Kurven und einem umgebauten Rosenheimer Bahnhof herausgeholt. Die Fahrzeiten von München nach Rosenheim auf der bestehenden Bestandsstrecke sind zu lang, und die Fahrbahnkreuzungen im Bahnhof Rosenheim kosten zusätzlich Zeit. Konkret bedeutet dies, dass in Rosenheim keine Fernzüge (EC, ICE) mehr halten würden, wenn diese im Deutschlandtakt fahren wollen. Außerdem bräuchte der Rosenheimer Bahnhof für den Deutschlandtakt deutlich mehr Gleise. Der von den DB/ÖBB-Planern und dem Stadtoberhaupt von Rosenheim abgelehnte Bahnhofsumbau würde damit sowieso notwendig und wäre als Ablehnungsgrund für Trassenvorschläge, die eine Durchfahrung des Rosenheimer Bahnhofs vorsehen, nicht länger haltbar.
Die kreuzungsfreie Durchfahrung des Rosenheimer Bahnhofs ist ein Kernstück der Trassenplanung von Dr. Vieregg, um den Bahnknoten Rosenheim fit für den Deutschlandtakt zu machen. Neben der verkürzten Fahrzeit war es auch ein wichtiges Ziel der Trassenplanung, die Belastung der Menschen an der Bestandsstrecke deutlich zu verringern. Deshalb wurden (wo möglich) leichte Verlegungen der Bahntrasse, Ortsumfahrungen (Oberaudorf, Großkarolinenfeld, Brannenburg, Happing), Einschnitte, Untertunnelungen sowie separate Fahrabschnitte (Raubling) für den Güterverkehr geplant. Dabei wurden die wesentlichen geologischen und topografischen Randbedingungen in Zusammenarbeit mit Dr. Siegfried Niedermeyer (igi Consult GmbH) geprüft, so dass von einer grundsätzlichen Machbarkeit der erarbeiteten Trasse ausgegangen werden kann.
Mit der von Dr. Vieregg entwickelten Trasse und dem Umbau des Rosenheimer Bahnhofs können alle Anforderungen an den Bahnknoten Rosenheim und den Brennernordzulauf erfüllt werden, die durch die zukünftigen Verkehrsplanungen sowie die bis 2050 skizzierten Zugzahlen auf die Region zukommen könnten. Die jetzige Planung von DB und ÖBB würden hingegen dazu führen, dass Rosenheim vom Fernverkehr abgehängt wird.
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Schlagworte: Brennerdialog, Bahntrasse Brenner-Nordzulauf, Deutschlandtakt, Dr. Martin Vieregg, Dr. Siegfried Niedermeyer, igi Consult GmbH, Andreas Scheuer, Ost-Korridor für Güterverkehr