Leserbriefe zum Thema Brenner-Nordzulauf
Erschienen im OVB am 10.09.2022 zur Berichterstattung über den Brenner-Nordzulauf unter dem Titel „Drunter oder drüber“ im OVB am 02.09.2022
An der Kernfrage vorbei
Die Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig warnt davor, die neue Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnel könnte im Norden Rosenheims den Inn nicht unter-, sondern überqueren. Sie kündigt dagegen Widerstand an. „Man“ werde aufs Härteste einsteigen. Nicht schlecht, aber leider viel zu kurz gesprungen. Frau Ludwig war lange Obfrau ihrer Fraktion im Verkehrsausschuss des Bundestages und kennt den Sachverhalt bestens. Sie weiß, dass der Bundestag der Deutschen Bahn den Untersuchungsauftrag für eine neue Trasse erteilt hat, ohne den Bedarf dafür zu kennen. Sie weiß, dass der Bedarf bis heute nicht nachgewiesen werden konnte.
Auch wenn ich für die Verlagerung von Gütern auf die Bahn bin, würde ich dann doch gerne wissen, was man sich denn von einer neuen Trasse verspricht, und ob man mit dem Neubau diese Ziele auch erreichen könnte. Mit einer zweiten Trasse mehr Güter auf die Schiene zu holen, ist Wunschdenken. Ist denn die Bahn nicht viel zu schwerfällig und zu langsam, um den heutigen Produktionskonzepten und Logistikanforderungen gerecht zur werden? Kann sie künftig auf mehr als auf das Container-Geschäft hoffen, vor allem mit Ostasien? Und kann das Volumen des Ostasien-Geschäfts aufrechterhalten werden, wenn die Schwächen und Risiken überzogener Globalisierung gerade überdeutlich werden? Was kann die Bahn für den Güterverkehr heute und künftig wirklich bieten? Wir alle haben ein Anrecht darauf zu erfahren, warum die Menschen in der Region Lasten auf sich nehmen sollen und wozu sieben Milliarden Euro (von der Deutschen Bahn vor einem Jahr allein für den Raum Rosenheim geschätzt) ausgegeben werden sollen. Frau Ludwig müsste im Interesse ihres Wahlkreises und der Steuerzahler die Neubau-Trasse prinzipiell hinterfragen. Da, Frau Ludwig, sollten Sie „aufs Härteste einsteigen.“
Dr. Hermann Biehler
Rosenheim
Drunter oder drüber, oder gar nicht? „Es droht Ungemach“, damit müssen auch unsere Politiker und die Bahn rechnen, wenn weiterhin in eine Planung investiert wird, die nicht nötig ist und schon jetzt hohe Kosten verursacht. Der Ausbau der Bestandsstrecke wäre angesichts der gegenwärtigen Situation (Finanzen, Klima, Wirtschaft) die bessere und auch preisgünstigere Lösung. Ein Tunnelbauwerk dieser Dimension schadet dem Klima durch immensen CO2-Ausstoß in der Bauphase, ein Damm- oder Brückenbauwerk im Rosenheimer Norden zerstört eine gewachsene Kultur- und Erholungslandschaft. Der Mischbetrieb von Personen- und Güterverkehr auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke wird nicht funktionieren und ich frage mich auch, welcher Reisende gern 40 Kilometer oder noch mehr im Tunnel verbringt. Besser wäre es doch, die Missstände im EU-Binnenmarkt mit dem damit verbundenen Transportirrsinn zu beseitigen und weniger Waren zu transportieren. Wir erleben ja gerade, welche Bedeutung die Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen und Gütern bedeutet. Die Bahn hat mit Stuttgart 21 und dem Bau der zweiten Stammstrecke in München schon genug Geld in zweifelhafte Projekte investiert. Sie hätte genug zu tun mit Reparaturen am vorhandenen maroden Schienennetz, dem Lärmschutz, der Digitalisierung und Verbesserung des Angebots und sollte nicht ein neues Milliardengrab öffnen. Unsere Politiker sollten sich auf die Seite der Bevölkerung stellen und gegen den Bau eines neuen Brenner-Nordzulaufs Stellung beziehen. Die Bundespolitiker sollten Kosten und Nutzen sehr genau abwägen.
Annelies Kaczynski
Pfaffenhofen
Wenn Frau Ludwig der Bahn härtestes Einsteigen androht, dann kann es nicht so hart werden. Denn schließlich ist sie erst mal ihrer Parteiräson verpflichtet, die es verbietet, die Sinnhaftigkeit dieses Projektes überhaupt infrage zu stellen. Bedenklich ist, dass Frau Ludwig als „drückenden Schuh“ wohl nur die Innquerung im Norden sieht und scheinbar die zerstörerische Planung am Simssee und in Riedering völlig aus dem Blick verloren hat. Hier ist ihr „hartes Einsteigen“ nicht mal mehr ein Trittchen. Weiterhin ist der Souverän gefordert die Dramatik lauthals präsent zu halten und es ist zu hoffen, dass dies auch geschieht, denn von den Volksvertretern ist wohl nicht allzu viel zu erwarten.
Tobias Gaiser
Prien