AllgemeinVerkehrspolitik

Befragung von EU-Kandidierenden zur Verkehrspolitik – ausführliche Antwort von Maria Noichl (SPD)

Aus aktuellem Anlass wurden die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aus Bayern für das Europaparlament von den Brenner-Bürgerinitiativen gebeten, Fragestellungen zur Verkehrspolitik zu beantworten.
Einzig von Maria Noichl, SPD, MdEP, wurden diese Fragen im Mai 2024 ausführlich beantwortet:

  1. Rechnen Sie mit einem unbegrenzt weiter steigenden Güter- und Personenverkehr in Europa? Wenn ja, welche Steigerungsraten und Verkehrszahlen erwarten Sie?

    Für mich ist eine Zukunfts-Säule der Verkehrspolitik die Vermeidung von unnützem Verkehr. Ein unbegrenzter Anstieg der Güter- und Personenzahlen würde unweigerlich zu einem verkehrstechnischen und klimatechnischen Kollaps führen.
    Die Bedarfszahlen der Zukunft sind die Gretchenfrage. Während wir alle z.B. auf die sogenannten Bedarfszahlen für den Brennernordzulauf seit Jahren warten, hüllt sich das Bundesverkehrsministerium in Schweigen und blockiert jede Veröffentlichung.  Die Aussage von Gisela Sengl, die Landeschefin der Grünen, die laut OVB-Interview vom 21. 05. von „bekannten Berechnungen“ spricht, ist von Unwissenheit geprägt.
    Klar ist: Wir alle wollen mehr Verkehr auf die Schienen verlagern und durch echte flankierende Maßnahmen Individualverkehr lenken, erst dann ist die Bahn eine echte Alternative zur Straße. Beim Schienennetz muss gelten: Ertüchtigung vor Neuausweisung.


  2. Sollte die Verkehrspolitik mehr Wert auf den Schienenverkehr legen? In Deutschland wurde in den letzten 30 Jahren konsequent der Zugang zum Eisenbahnnetz für Gewerbe und Bevölkerung abgebaut!

    Für eine nachhaltige Klimapolitik ist eine nachhaltige Verkehrspolitik unabdingbar.
    Und genau das sehen wir in der aktuellen Politik nicht. Der Focus und der finanzielle Schwerpunkt liegen leider nach wie vor auf der Straße. Ein Ende ist auch unter dem aktuellen Bundesverkehrsminister nicht zu erwarten. Für mich ist klar, dass auch beim Schienennetz gelten muss: Investitionen statt Stilllegungen.


  3. Sollte die Instandsetzung vorhandener Infrastruktur den Vorzug gegenüber dem Neubau von Straßen und Schienen erhalten?

    Ein klares JA!. Unser Ziel einer nachhaltigen Politik muss sein, Ressourcen zu schonen. Das fängt im Kleinen an, sozusagen im eigenen Haushalt, und muss bei Großprojekten genau so gelten. Ertüchtigung von Bestandsstrecken vor Neubautrassen.
    Mit Blick auf unsere Region ist meine größte Sorge, dass hier Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken in die Landschaft betoniert werde, der Güterverkehr aber weiterhin auf der Straße läuft. Das wäre der Super-GAU für die Region.


  4. Können die notwendigen Klimaschutzziele trotz der gewaltigen CO2-Emissionen bei einem Neubau von Straßen, Schienen und Tunneln erreicht werden?

    Die gewaltigen CO2-Emissionen, die bei Neubauten entstehen, gehören ebenso zu meiner Antwort unter Frage 3. Für eine nachhaltige Klimapolitik ist auch der Ausstoß von CO2 im Rahmen der Bauzeit, der Betonmenge und der Naturzerstörung zu minimieren, sonst wird die Rechnung am Ende für unser Nachkommen nicht mehr zu begleichen sein.
    Für die Verwendung von tausenden Kubikmeter Beton bei einer Neubautrasse muss ich als Oma lange Zug fahren um dies zu kompensieren….


  5. Welche Höchstgeschwindigkeiten halten Sie für Personen- und Güterzüge für notwendig und angemessen, wenn ein bereits stark belasteter und eingeschränkter Lebensraum durchfahren wird?

    Seitens der EU gibt es hier eine klare Linie, auch wenn das hier in der Region manche CSU -Politiker*in oder auch die Bahn nicht hören will. Eine Empfehlung meinerseits ist daher, sich gerne an die Verkehrspolitiker*innen der eigenen Partei im Europaparlament zu wenden, dann kann man es auch schwarz auf weiß nachlesen:
    „Schienenpersonenverkehrsstrecken im TEN-V-Kernnetz und im erweiterten Kernnetz müssen es ermöglichen, dass Züge bis 2040 eine Geschwindigkeit von 160 km/h oder schneller erreichen können, wobei Güterzüge eine Betriebsgeschwindigkeit von mindestens 100 km/h aufweisen müssen.“
    Von Hochgeschwindigkeitsvorschriften, wie gerne behauptet, ist also nicht die Rede.


  6. Ist eine EU-Kofinanzierung in Höhe von 50 % der Kosten für derartige klimaschädliche Investitionen vor dem Hintergrund des jüngsten Urteils des EGMR zum „Menschenrecht Klimaschutz“ zu rechtfertigen und zu verantworten?

    Dass es hier eine EU-Kofinanzierung gibt, ist dem Gesamtprojekt der TEN-Trassen geschuldet. Ein sicher herausragendes Vorhaben, Europa auf Schienen-, Wasser-, und Straßennetzen zu verbinden. Eine Förderung des Brennerbasistunnels ist sicher zielführend, was nicht bedeutet, eine Förderung dürfe nur für Neubaustrecken bestehen. Diese wäre kontraproduktiv im Sinne einer nachhaltigen Klimapolitik.

  7. Was sagen Sie zur Alternativvariante der Bürgerinitiativen im Landkreis Rosenheim und des BUND Naturschutz für den bestehenden Brennernordzulauf, der dadurch schneller, billiger und nachhaltiger für zukünftige Anforderungen ausgebaut werden könnte?

    Hier wieder ein klares JA von mir zur Alternativvariante. Ich schätze sowohl die Expertisen des BUND Naturschutz sowie der Bürgerinitiativen, die gemeinsam für eine klimagerechte und zukunftsorientierte Verkehrspolitik mit Sachverstand stehen.

  8. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für Ihr politisches Handeln im Europäischen Parlament und in Ihrer Partei?

    Ich werde sicher nicht müde, meine Haltung im Europäischen Parlament, in meiner Partei und vor Ort in Rosenheim zu vertreten.