Ausbau der Bestandsstrecke als Alternative zum Neubau.
Von Grafing bis Kiefersfelden darf nicht ausschließlich eine zusätzliche Neubautrasse geplant werden. Ergänzend muss auch der bedarfsgerechte Ausbau des Bestandsgleises mit Schutzmaßnahmen gegen Lärm und Erschütterungen nach Neubaustandard geplant und als mögliche Alternative in die Entscheidung für eine Zulaufstrecke einbezogen werden.
Bereits im Vorwort zum Bundesverkehrswegeplan 2030 kann man lesen, es gelte das Prinzip, Erhalt gehe vor Neubau. Dennoch wird für das Projekt Brenner-Nordzulauf im Abschnitt zwischen Grafing und der Landesgrenze D/A bei Kiefersfelden ausschließlich eine zusätzliche Neubautrasse parallel zum existierenden Bestandsgleis geplant, obwohl dieses laut Auskunft des BMVI noch nicht ausgelastet ist und auch bis 2030 nicht mit einer Überlastung zu rechnen ist. Eine unabhängige Untersuchung der Kapazität auf der Bestandsstrecke zeigt, dass diese veraltet ist und in ihrem Zustand nicht dem heute üblichen Standard einer zweigleisigen Trasse entspricht. Durch vergleichsweise einfache und preiswerte Modernisierungs-maßnahmen kann die Kapazität des Bestandsgleises kurzfristig noch um weitere 15% gesteigert werden. Ein anderes Gutachten zeigt mit möglichen Ausbauvarianten und Ergänzungen der Bestandstrasse, dass der mit der Inbetriebnahme des Brenner-Basistunnels realistisch zu erwartende Verkehrszuwachs auch neben einer deutlichen Zunahme des regionalen Nahverkehrs auf der Bestandsstrecke zweifelsfrei zu bewältigen ist. Der Ausbau des Bestandsgleises hätte somit keinerlei negative Auswirkungen auf das Nahverkehrsangebot in der Region und böte den Anwohnern den maximal möglichen Emissionsschutz nach Neubaustandard. Der für den Neubau eines zusätzlichen 3. und 4. Gleises erforderliche Nachweis des Bedarfs ist bis heute nicht erfolgt. Er soll laut einer Fußnote im Bundesverkehrswegeplan „nachgereicht“ werden. Auch die im zwischen Österreich und Deutschland 2012 geschlossenen Staatsvertrag geforderte erneute Überprüfung des Bedarfs alle 5 Jahre erfolgte bisher nicht. Stattdessen wurden vom BMVI nur Szenarienstudien bis 2050 erstellt, die einen 4-gleisigen Ausbau rechtfertigen sollen. Diese vorgestellten Szenarien sind jedoch widersprüchlich und höchst umstritten. Aber nicht nur der fehlende Bedarfsnachweis für die laufende Planung sorgt für Unverständnis. Auch die Auslegung der Neubautrasse für Geschwindigkeiten bis zu 230 km/h, obwohl diese laut Aussagen der DB Netz AG für 80% langsame Güterzüge und 20% schneller Personenfernverkehr geplant wird, ist nicht nachvollziehbar. Während sich eine „normale“ Bahntrasse noch relativ gut in die Landschaft einbetten lässt, kann ein Schienenbauwerk für diese Geschwindigkeiten mit riesigen Kurvenradien und gewaltigen Überbrückungsbauwerken auf Landschaft und Natur nur noch wenig Rücksicht nehmen. Der dicht besiedelte Landkreis Rosenheim ist insbesondere in der engen Tallage des Inns bereits stark durch Infrastruktur belastet. Eine zusätzliche Neubautrasse dieser Dimension würde sich massiv negativ auf die wichtigen Bereiche Tourismus und Landwirtschaft, sowie den Erhalt wertvollster FFH-Schutzgebiete in der Region auswirken. Zweifelsohne ist eine vernünftige Lösung des Verkehrsproblems im Inntal dringend nötig und längst überfällig. Der bedarfsgerechte Ausbau der Bestandstrasse wäre hierzu ein wichtiger Schritt.